Flüchtlingsunterkunft in einem kleinen deutschen Dorf
by Pauline Karl (1999) Gisela-Gymnasium, München/Germany on 2018-01-23



Vor circa vier Jahren wurden bei mir im Dorf große graue und eigentlich relativ hässliche Container auf einer freien Wiese am Ortseingang aufgebaut. Die Frage, wozu diese da sind, sprach sich wie ein Lauffeuer im Dorf herum. Viele beschwerten sich, dass es direkt am Ortseingang war, ohne überhaupt zu wissen, wozu die Container da sind. Nach mehreren Tagen zogen die ersten Flüchtlinge dort ein, der Kontakt war anfangs sehr gering zwischen Einheimischen und Geflüchteten. Zuerst wechselten die Bewohner fast monatlich, bis eine große Familie aus Syrien dort einzog. Man merkte sofort, dass sie bleiben wollten, wenn auch nicht unbedingt in den Containern.

Stark profitiert von den Neuankömmlingen hat auf jeden Fall das lokale Busunternehmen, denn normalerweise werden die Busse nur selten und wenn, dann von Schülern genutzt. Doch jetzt gab es eine große Nachfrage, da der nächste große Supermarkt, eine Apotheke und Kleidungsgeschäft zehn Kilometer entfernt sind. Aber auch der hiesige Tante-Emma-Laden hatte nun mehr Kundschaft als sonst.

Doch nach ungefähr einem halben Jahr ist die syrische Familie wieder ausgezogen, was für große Empörung in der Nachbarschaft sorgte, da sich die Nachbarn der Container schon mit den Immigranten angefreundet hatten. Das Gerücht ging um, dass sie abgeschoben wurden, was aber durch den Bürgermeister aufgeklärt werden konnte. Die Familie musste in das Land zurückkehren, in dem sie zuerst gelandet waren nach der Fahrt über das Mittelmeer. Wenigstens hatten wir dann Gewissheit, dass sie wahrscheinlich nicht in naher Zukunft zurückkehren werden.

Ein paar Monate lang stand das Flüchtlingsheim dann leer und die Erinnerungen an das gute Zusammenleben verblassten langsam. Als neue ankamen, war die Neugierde wie die Hilfsbereitschaft wieder einmal groß. Einige Nachbarn wussten es schon im Voraus und hatten sich die Mühe gemacht, Willkommens-Banner über dem Eingang der Container aufzuhängen, um das Ankommen noch einfacher zu machen. Diesmal waren es ungefähr 20, die entweder alleine oder zu zweit geflohen waren. Keiner von ihnen wollte erzählen, woher sie kamen oder was ihnen auf der Flucht passiert ist. Alle, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingsunterkunft betätigen, akzeptierten ihr Schweigen. Sie wurden nicht weniger willkommen geheißen als andere.

Jedoch auch sie blieben nicht lange und ihr Schicksal ist uns bis heute nicht bekannt. Manche Nachbarn versuchen den Kontakt aufrechtzuerhalten, auch wenn sie irgendwann, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr in unserem Flüchtlingsheim unterkommen. Egal, wie hartnäckig sich manche von uns bemühen: In den meisten Fällen bricht der Kontakt leider schnell ab, ob es aufgrund von technischen Problemen ist oder einfach die Motivation nachlässt. Jedenfalls sind viele in unserer Unterkunft aufgenommen worden doch erst letztes Jahr blieben manche solange, dass wir mit ihnen im Sommer draußen grillen konnten und dann im Winter gemeinsam den Weihnachtsbaum schmücken konnten.

Einmal im Monat wurden im Sommer dann Grillfeste vor den Containern gefeiert, zu denen das gesamte Dorf eingeladen war. Hierbei konnten waschechte Bayern mal die unterschiedlichsten Köstlichkeiten aus dem Orient probieren, aber auch Weißwurst und Kartoffelsalat waren auf der Speisekarte. Am besten waren die selbstgemachten Falafels, dagegen sind im Supermarkt gekaufte natürlich nichts. Bei diesen Festen wurden Geschichten und Erfahrungen geteilt. Was mich auch sehr fasziniert hat, ist, dass niemand sich weigerte mit dem anderen zu reden oder zu essen. Die Sprachbarriere wurde mit Händen und Füßen größtenteils problemlos überwunden.

Als es dann kälter wurde und der Advent anbrach, wurden die Geldspenden und die Kleidungsspenden an das Flüchtlingsheim fasst verdoppelt. Viele aus umliegenden Orten brachten warme Wintersachen und Schuhe direkt zu den Flüchtlingen. Eine Spende freute die Geflüchteten jedoch am meisten. Sonntags nach der Kirche brachte ein älterer Herr Lichterketten vorbei. Um die Container herum waren Hecken und Büsche, aber auch eine kleine Tanne. Der Vorgarten wurde dann mit größter Liebe zum Detail für Weihnachten geschmückt. Als dann der Heilige Abend kam, wurden Fake-Geschenke unter die geschmückte Tanne gelegt. Und drinnen wurden richtige unter den eigentlichen Weihnachtsbaum gelegt. Obwohl wahrscheinlich viele von ihnen nicht einmal Weihnachten feierten, gab es keine Beschwerden, dass sich jemand in seiner Religion gestört fühlt. Außerdem wurden an dem Abend auch Bräuche aus dem Islam erklärt und gezeigt. An diesem Weihnachtsfest ging es endlich nicht nur um die Geschenke, sondern wirklich um das Beisammensein von den unterschiedlichsten Menschen. Für einen Abend wurden alle Vorurteile gegenüber anderen vergessen und die Gesellschaft genossen. So sollte Weihnachten überall gefeiert werden.

Wenn es so wäre, hätten wir keine Probleme mit Krieg und Verfolgung. In jeder Stadt und jedem Dorf sollten solche Container oder sogar Häuser für die Unterbringung von Flüchtlingen bereitgestellt werden. Dadurch wird der Horizont beider Seiten erweitert, aber auch einfache Nächstenliebe praktiziert. Außerdem werden Unterkünfte und Offenheit dringend in der Flüchtlingskrise benötigt. Durch das Zusammenleben mit Flüchtlingen bin ich offener und hilfsbereiter geworden in jeglicher Hinsicht. Diese Erfahrungen sollte jeder machen und sich nicht davor scheuen sich ehrenamtlich oder sogar ohne die Ehre zu engagieren.